Rolf Morrien (Morriens Schlussgong): ThyssenKrupp - Der Versager darf bleiben

„Der DAX pendelt weiterhin rund um die Marke von 7.700 Punkten. Heute schaffte der deutsche Leitindex wieder ein Tagesplus.

Der DAX lag zunächst im Minus, doch gute US-Daten trieben den Index auf 7.735 Punkte.

Zu den Tagesgewinnern gehörte heute die ThyssenKrupp-Aktie, die um über 2% zulegen konnte.

Es soll gleich mehrere Kauf-Interessenten für die Stahlwerke in den USA und Brasilien geben. Ein Bieterkampf könnte den Verkaufserlös nach oben treiben.

Diesen leichten Rückenwind können Vorstand und Aufsichtsrat gut gebrauchen. Denn morgen ist wieder einmal der Tag der Abrechnung.

Auf der Hauptversammlung müssen die Verantwortlichen die katastrophalen Zahlen erklären, die im Geschäftsjahr 2011/2012 erwirtschaftet wurden.

 

Kurzfristig Top, langfristig Flop

Die Thyssen-Manager können darauf verweisen, dass die alten Sünden zu einem großen Teil bereits abgearbeitet wurden. Die Zukunft sieht besser aus.

Der Blick auf den kurzfristigen Chart bestätigt das: Seit Sommer ist der Kurs um gut 50% von 12 auf 18 Euro gestiegen.

Das ist aber nur die kurzfristige Betrachtungsweise. Vor 5 Jahren notierte die Thyssen-Aktie noch bei über 40 Euro. Viele Aktionäre sitzen daher auf hohen Kursverlusten. Dafür soll jemand Verantwortung übernehmen.

 

Pannen und Pleiten

In den vergangenen Jahren hat ThyssenKrupp fast nur für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Im Schienkartell wurden Preise abgesprochen. Zahlen mussten das die Steuerzahler.

Damit die Stimmung trotz der Probleme gut blieb, wurden interessante Dienstreisen in die Wachstumsmärkte organisiert.

Aufsichtsräte und ausgewählte Journalisten konnten sich vor Ort von den großen Wachstums-Chancen überzeugen. Das Programm war so gestaltet, dass auch das Vergnügen nicht zu kurz kam.

Die teuersten Fehler wurden jedoch in Brasilien und in den USA gemacht. Die dort neu gebauten Stahlwerke entwickelten sich zum Desaster.

Zeitpläne wurden zur Witznummer, die Kosten explodierten auf 12 Milliarden Euro. Diese Fehlplanung des Managements erinnert an das Chaos beim Flughafenbau in Berlin.

 

Neue Manager braucht das Unternehmen

Die vielen Pannen und Skandale hatten Folgen: Ein Großteil des Vorstands wurde ausgetauscht.

Der ehemalige Thyssen-Chef Ekkehard Schulz wurde durch Heinrich Hiesinger ersetzt Auch der Finanzvorstand wurde ausgetauscht. Im Vorstand wurden also Konsequenzen gezogen.

Ganz anders sieht es im Aufsichtsrat aus. Dort regiert der 69-Jährige Gerhard Cromme, der andere Manager sehr kritisch bewertet, aber die eigenen Fehlleistungen gerne ignoriert.

Wenn ein Großteil des alten Vorstands in kurzer Zeit gehen muss, dann bedeutet das, dass der Aufsichtsrat bei der Auswahl große Fehler gemacht hat. Auch das müsste Konsequenzen haben.

Es darf auch nicht übersehen werden, dass der Aufsichtsrat die großen Fehlentscheidungen des alten Vorstands abgesegnet hat.

Es gibt also auch eine direkte Mitschuld des Aufsichtsrats unter Führung von Cromme an der Krise bei ThyssenKrupp.

Dennoch verteidigt Cromme (bisher) eisern seinen Posten. Er verlässt sich darauf, dass der Großaktionär, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, jeden Sturzversuch verhindert.

 

Rückendeckung nicht angebracht

Der starke Mann der Stiftung ist die Krupp-Legende Berthold Beitz. Der 99 Jahre alte Stiftungsvorsitzende verteidigt Cromme, der ihn eines Tages beerben soll.

Beitz will nicht kurz vor der Amtsübergabe seinen Nachfolger verlieren, den er über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut hat.

Diese menschlich verständliche, aber fachlich fehlerhafte Treue schützt Cromme, beschädigt aber Beitz, der einen besseren Nachfolger verdient hätte.“

 

 

 

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