Betrug bei Ebay: Auktionshaus muss Schaden zahlen

Quelle: test.de

 

Zustände wie im sowjetischen Beamtenapparat und an Vorsatz grenzende Fahrlässigkeit: Richter Heinz Markus Kolland gibt Ebay reichlich Mitschuld an einer groß angelegten Betrügerei und verurteilt das Auktionshaus zu über 16 000 Euro Schadenersatz. test.de erklärt, wann Opfer von Ebay-Betrügereien eine Chance auf Entschädigung haben.

 

Der Traum vom Gold

Gold: Davon hat Dieter Steirer (Name geändert) schon immer geträumt. Im Herbst 2007 will der Elektro-Installateur aus Österreich seinen Traum verwirklichen. Bei dem deutschen Ebay-Anbieter „ML-Agentur“ ersteigert er ein Kilogramm des Edelmetalls für genau 16 161,57 Euro. Vorher hat er sich genau umgeschaut: Ebay listet Dutzende von Kommentaren zufriedener Kunden auf und hat den Anbieter zum „Platin-Power-Seller“ ernannt. Die ML-Agentur selbst versichert: Das Gold ist auf Lager und wird nach Bezahlung der Ware sofort verschickt. Was Dieter Steirer nicht weiß: Verbraucherschützer Burkhard Müller und www.falle-internet.de hatten Ebay seit Monaten immer wieder gewarnt. Bei Umsätzen von 400 000 bis 500 000 Euro im Monat liefere ML-Agentur mit mehreren Wochen und zum Teil sogar Monaten Verzögerung. Es kam wie absehbar: Anfang November 2007 meldete Agentur-Inhaber M. L. beim Amtsgericht Ravensburg Insolvenz an. Dieter Steirers Traum von Gold bleibt unerfüllt. Zahlreiche weitere Gold-Käufer gehen leer aus. Gesamtschaden: Rund eine Million Euro.

Warnungen Monate vor der Pleite

Burkhard Müller ist ein Ebay-Veteran. Seit vielen Jahren beobachtet er, was beim Internet-Auktionshaus vor sich geht und warnt, wenn er Risiken sieht. Er hat ein spezielles Computerprogramm, mit dem sich die Aktivitäten einzelner Anbieter genau erfassen und auswerten lassen. Ebay selbst hat ihm für sein Engagement um den Verbraucherschutz im Jahr 2003 den „Community Award“ verliehen. Anders als normale Ebay-Nutzer kann Müller per E-Mail direkt an das Ebay-Sicherheitsteam und hochrangige Manager schreiben. Bereits Monate vor dem Zusammenbruch der ML-Agentur hat er gewarnt: Das Unternehmen verkauft Gold regelmäßig unter dem Preis, für den Banken Gold ankaufen, und liefert erst mit zum Teile monatelanger Verzögerung. Der Verdacht liegt auf der Hand: Mit dem Geld neuer Kunden wird Gold angekauft, auf das andere Kunden schon lange warten - eine Variante des Schneeball-Systems. Das kann nicht lange gut gehen. Trotz wiederholter Warnungen und trotz einschlägiger Erfahrungen mit ganz ähnlichen Fällen unternimmt Ebay nichts.

Richter: „An Vorsatz grenzende Fahrlässigkeit“

Als Dieter Steirer erfährt, das Ebay schon seit Monaten gewarnt war, platzt ihm der Kragen. Er erhebt Klage gegen das Unternehmen beim Landesgericht St. Pölten und benennt Burkhard Müller als Zeugen. Detailliert berichtet der Internetaktivist, was er wem bei Ebay wann mitgeteilt hat. Warum Ebay daraufhin die ML-Angebote nicht stoppte, konnte auch eine eigens von Ebay als Zeugin benannte Mitarbeiterin der Rechtsabteilung nicht erklären. „Die Aussage der Zeugin erschöpft sich in mehr oder weniger unbestimmten Formulierungen und Floskeln“, notiert Richter Heinz Markus Kolland am Ende. Die Darstellung der Zeugin zur internen Kommunikation bei Ebay erinnere an die Trägheit sowjetischer Beamtenapparate. Er urteilt schließlich: Ebay hätte die unsauberen Angebote der ML-Agentur zum Schutz von Dieter Steirer und anderen Gold-Interessenten nach den Warnungen durch Burghard Müller unterbinden müssen. „Die Beklagte haftet aufgrund einer an bedingten Vorsatz grenzenden grob fahrlässigen Verletzung von vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten für den gesamten eingetretenen Schaden“, heißt es in der Urteilsbegründung wörtlich.

Ebay: „Nicht nachvollziehbar“

Trotz allem: Ebay ist sich keiner Schuld bewusst. „Die Entscheidung des Gerichts ist für uns nicht nachvollziehbar. eBay hat den fraglichen Verkäufer umgehend vom Handel auf eBay ausgeschlossen, sobald wir von der Insolvenz erfahren hatten“, erklärt Ebay-Sprecherin Maike Fuest . Anhaltspunkte für eine drohende Insolvenz will das Unternehmen nicht gesehen haben. Die teilweise langen Lieferzeiten habe ML-Agentur mit dem administrativen Aufwand für den Abschluss von Transportversicherungen für die Goldbarren erklärt. Ebay habe aber noch nicht entschieden, ob das Unternehmen gegen das Urteil Berufung einlegen wird.

Wenig Hoffnung für Ebay-Betrugsopfer

Nach dem Urteil von St. Pölten steht fest: Opfer von Ebay-Betrügereien können Entschädigung verlangen, wenn das Auktionshaus das fragliche Angebot nach Lage der Dinge hätte unterbinden müssen. Deutsches und Österreichisches Recht unterscheiden sich insoweit kaum. Allerdings: Aussicht auf Erfolg haben Ersatzansprüche gegen Ebay nur, wenn die Versäumnisse von Ebay minutiös dokumentiert sind. Ein ML-Agentur-Opfer aus Niedersachsen etwa scheiterte mit seiner Schadenersatzklage gegen Ebay beim Landgericht Aurich. Der Anwalt hatte zwar Foreneinträge mit Warnungen vor ML-Agentur präsentiert, aber Burkhard Müller war nicht als Zeuge aufgetreten. Ohne den Internetaktivisten als Zeugen wäre wohl auch Dieter Steirer leer ausgegangen. Das Prozessrisiko ist hoch. Die Kosten für die Klage beim Landesgericht St. Pölten belaufen sich auf fast 8 000 Euro. Klar ist auch: Gegen betrügerische Anbieter selbst vorzugehen, ist zwar rechtlich einfacher, aber in der Regel nutzlos: Zu holen ist da kaum etwas. Goldhändler M. L. etwa hat das Amtsgericht Wangen inzwischen wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 113 Fällen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Er muss im Insolvenzverfahren sämtliches Einkommen jenseits des Pfändungsfreibetrags beim Konkursverwalter abliefern. Zusätzlich muss er weitere 170 Euro monatlich mindestens zahlen, um zumindest einen Teil des Schadens zu ersetzen. Das hat das Amtsgericht Wangen im Strafverfahren festgelegt.

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